Text 19. Der Vater der modernen Universität

Der Weltentdecker Alexander von Humboldt ist sehr berühmt. Weniger bekannt ist sein Bruder Wilhelm. Doch auch er hat Wichtiges geleistet: Er reformierte das Bildungssystem und sorgte für die moderne Universität.

Jemanden wie Wilhelm von Humboldt hätte man auch heute gerne als Bildungsminister: Er war Kosmopolit, Philosoph, Politiker und Autor. Er sprach die wichtigsten Sprachen der Welt und lebte in den wichtigsten europäischen Städten des 18. Jahrhunderts: Paris, Rom, London, Wien und Berlin. Auch wenn er immer im Schatten seines Bruders Alexander stand, war er nicht weniger wichtig.

Alexander und Wilhelm von Humboldt erhielten eine sehr gute Ausbildung. Die Mutter suchte nur die besten Lehrer für ihre beiden Söhne aus. Sie hatten Kontakt zu den Geistesgrößen der Zeit, etwa zu Schiller und Goethe. Mit 23 Jahren trat Wilhelm von Humboldt 1790 in den preußischen Staatsdienst ein. Aber er hörte dort schnell wieder auf, weil ihm die Arbeit zu langweilig war. Seine Frau Caroline war hochgebildet. Sie führten eine ungewöhnliche Ehe, denn Wilhelm sorgte für die Kinder. Außerdem reisten sie viel, vor allem nach Frankreich und Spanien.

1802 ging Humboldt doch wieder zurück in den Staatsdienst. Doch nach den verlorenen Napoleonischen Kriegen war Preußen bankrott. Die Bevölkerung litt an Hunger und Armut. In dieser Situation wurde Humboldt 1808 in Berlin zum Leiter der preußischen Kultus- und Unterrichtsverwaltung ernannt. Die Schulbildung in Preußen war nicht gut. Sie sollte aus den Schülern vor allem treue Bürger machen.

Humboldt reformierte das schlechte preußische Bildungssystem wesentlich. 1810 führte er ein Schulsystem ein, das aus drei Teilen bestand: der Elementarschule, dem Gymnasium und der Hochschule. Wilhelm von Humboldt übte sein Amt nur 16 Monate aus, aber er veränderte damit die Ausbildung im Land: Er ist der Vater der modernen Forschungsuniversität. Mit ihr bekam Preußen das fortschrittlichste Bildungssystem Europas.

Bildung (f., nur Singular) — hier: alles, was damit zu tun hat, dass Leute etwas Neues lernen, z. B. Schulen und Universitäten

Kosmopolit, -en (m.) — jemand, der glaubt, dass alle Menschen auf der Welt eine Gemeinschaft sind und deshalb alle gleich sind, und für den die ganze Welt Heimat ist

Philosoph, -/Philosophin, -nen — jemand, der darüber nachdenkt, wie Menschen denken und handeln und was der Sinn des Lebens ist

in jemandes Schatten stehen — wegen jemandem nicht so stark beachtet werden

Geistesgröße, -n (f.) — jemand, der wegen seiner geistigen Fähigkeiten berühmt wurde

in den Staatsdienst ein|treten — beginnen, für einen Staat zu arbeiten

preußisch — so, dass etwas zu dem früheren Königreich Preußen gehört

hochgebildet — so, dass jemand eine sehr gute Schulausbildung hatte

Napoleonische Kriege — die Kriege, die Frankreich unter Napoleon zwischen 1808 und 1812 gegen mehrere europäische Länder führte

bankrott — so, dass man kein Geld mehr hat

jemanden zu etwas ernennen — jemandem ein bestimmtes Amt geben

Kultus- und Unterrichtsverwaltung (f.) — ein früheres Ministerium, das für die Schulen und Universitäten zuständig war

etwas reformieren — etwas sehr stark verändern; etwas neu machen

etwas ein|führen — hier: beginnen, etwas zu nutzen; etwas zu einem festen Bestandteil von etwas machen

Elementarschule, -n (f.) — früherer Name für eine Schule, in der Kinder Lesen und Schreiben lernen

etwas aus|üben — hier: etwas tun; tätig sein

Vater/Mutter von etwas sein — etwas erfunden haben

fortschrittlich — modern, gut entwickelt


Last modified: Tuesday, 5 June 2018, 10:47 AM