Text 23 Auf dem Weg zu einer Eiszeit

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Wohin wird sich das Klima entwickeln? Und mit welchen Folgen haben die Menschen in Mitteleuropa zu rechnen? Die Erwartungen reichen von einer neuen Eiszeit bis hin zu Befürchtungen, dass sich wegen des Treibhauseffektes weite Landstriche in Wüsten verwandeln könnten. Wie sich die Umwelt seit der letzten Eiszeit verändert hat und was daraus abzuleiten ist, war das Thema eines Symposiums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Um rund ein Grad Celsius sind die Sommer in den letzten 140 Jahren wärmer geworden. Als Folge dessen ist die vergletscherte Fläche der Alpen um mehr als die Hälfte zurückgegangen , stellte der Innsbrucker Gebirgsforscher Gernot Patzelt fest. Rund 3000 Quadratkilometer Land sind in dieser Zeit aus dem Eis hervorgetreten. Gleichzeitig hat sich aufgrund der wärmeren Temperaturen die Waldgrenze um 150 Meter nach oben verschoben. Trotzdem glaubt Patzelt nicht, dass der Alpenregion eine nachhaltige Überwärmung droht. Denn die menschengemachten Einflüsse seien gegenüber den natürlichen Klimafaktoren relativ klein. So sei ein Gletscherschwund des heute zu beobachtenden Ausmaßes nicht Einmaliges: seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 10000 Jahren waren die Gletscher immer wieder einmal so klein wie heute oder sogar noch kleiner. Auch unterlag das Klima während der gesamten Erdgeschichte großen Schwankungen lange bevor der Menschen in diese Abläufe eingegriffen hat. Bisher konnten, so Patzelt, beweise für insgesamt vier Eiszeit gefunden werden. Sie waren jeweils durch kürzere eisfreie Perioden voneinander getrennt. Die letzte Eiszeit, das Pleistozän, dauerte etwa drei Millionen Jahre; und auch während dieser Eiszeit schwankten die durchschnittlichen Temperaturen ganz erheblich. In den kalten Zeitabschnitten betrug auf dem Gebiet Mitteleuropas die durchschnittlichen Januartemperatur zwischen minus14 und minus 22 Grad Celsius im Juli waren es etwa plus fünf bis plus zehn Grad. In den warmen Phasen der Eiszeit ähnelten aber Klima- und Vegetationsverhältnisse in Mitteleuropa weitgehend denen der Gegenwart. „Die nächste Eiszeit kommt bestimmt“, meint Patzelt. Es könne sein, dass die menschengemachte Erwärmung die Entwicklung nur verzögert.
Die Eingriffe des Menschen in die klimatischen Verhältnisse begannen nicht erst mit der Industrialisierung in Deutschland reichen sie bereits siebentausend Jahre zurück, bis in das Neolithikum. Wie der Botaniker Burkhard Frenzel von der Universität Hohenheim berichtete, waren damals beispielsweise an der Donau etwa 15 Prozent der ursprünglichen Waldfläche gerodet und wurden landwirtschaftliche genutzt. Samenfunde aus dieser Zeit zeigten außerdem, dass etwa 50 Hektar Weide- oder Ackerland nötig waren, um zehn Familien mit 50 Rindern zu ernähren. Bereits diese frühen Eingriffe in die Waldlandschaft blieben nicht ohne Folgen für das regionale Klima: Wo größere Fläche gerodet waren, sind die Temperaturunterschiede im Jahresverlauf größer geworden als in den bewaldeten Gebieten, da sich hier die Erde im Sommer stärker erwärmte und im Winter um 1,5 Grad niedriger, ist die Durchschnittstemperatur aber trotz dieser Differenzen gleich geblieben. Gegenwärtig werde jedes Jahr weltweit eine Waldfläche gerodet, die etwa ein Drittel so groß ist wie die Bundesrepublik. Welche Konsequenzen das Roden mittel- und langfristig über die betroffene Region hinaus hat, lasse sich nur abschätzen, so Frenzel. Für genaue Prognosen, die auch den Einfluss der klimawirksamen Gase wie Kohlendioxid einbeziehen müssten, fehlen bisher Modelle. „Auch wenn wir nicht genau sagen können, ob das Klima in den nächsten wenigen hundert Jahren umkippt oder nicht, wäre es falsch, daraus zu folgern, wir können so weitermachen wie bisher“, warnte der Tagungsleiter Horst Hagedorn. Gegenwärtig sieht er noch gute Chancen, umkehrbare Entwicklungen zu vermeiden.


Last modified: Tuesday, 5 June 2018, 3:04 PM